Eine Krötenwanderung aus der Perspektive des Tieres…
Es war früher Abend, die letzten Sonnenstrahlen brachen durch die Baumkronen. Heute war es endlich soweit, nach vier langen Jahren, würde ich wieder zu meinem Geburtsgewässer zurückkehren. In freudiger Erwartung sprang ich los. Doch zuvor musste ich noch etwas essen. Der Waldboden war mit Laub übersäht, perfekt für die Jagd nach kleinen Insekten. Langsam sprang ich weiter und tatsächlich, kurz vor mir sah ich eine Bewegung. Ob es ein leckerer Grashüpfer war? Gerade als ich mir sicher war, einen Grashüpfer vor mir zu haben, schlängelte sich ein langer Regenwurm aus dem Laub. Enttäuscht drehte ich mich um. Dann musste ich wohl oder übel mit leerem Magen meine Wanderung fortsetzen. Nun ging meine Reise weiter, über Stock und Stein. Meine Fettreserven waren gering und die Wärme machte mir nicht weniger zu schaffen. Doch zum Glück hörte ich in diesem Moment lauter werdende Auto-Geräusche. Jeden Moment sollte ich die breite Landstraße sehen können. Aber ich wartete vergeblich, denn was ich jetzt sah war eindeutig keine Straße, sondern ein 40 cm hoher grauschwarzer Gummizaun. Also davon hatte ich nichts gewusst. Ich blickte mich nach allen Seiten um, doch ich entdeckte keinen Weg, um zur Straße zu gelangen. Nachdem ich versucht hatte, mich die Gummiabsperrung hoch zu schleppen musste ich mich ausruhen, wobei ich friedlich einschlief. Als ich mehrere Stunden später aufwachte, ist die Sonne schon längst untergegangen. Doch bevor ich mich darüber aufregen konnte, dass ich so lange geschlafen hatte, vernahm ich ein lautes Geräusch hinter mir. Es war zu spät, sich in die Sicherheit des Dickichts zu retten, also blieb ich einfach sitzen, wo ich war. Und ehe ich mich versah, hatte mich eine kalte Hand gegriffen und setze mich in einen durchsichtigen Eimer. Ich hatte keine Ahnung, was diese Menschen jetzt mit mir machen würden. Doch mir war klar, dass ich erstmal nichts gegen die Tatsache, dass ich in einem Eimer festgehalten wurde, machen konnte. Plötzlich sah ich, wie unter mir das Gras anfing zu schwanken und in diesem Moment fiel mir wieder ein, was diese Leute mit mir machen würden. Sie werden mich sicher über die Straße bringen und mich anschließend an meinem Geburtsgewässer freilassen. Normalerweise würden wir alleine die Straße überqueren, doch leider sterben viele Amphibien bei diesem Versuch. Nicht nur weil sie meist von Autos überfahren werden, oder weil sie zu wenig Fettreserven haben und es immer wärmer um diese Zeit wird und sie deshalb nicht selten auch austrocknen können, sondern auch weil an vielen Straßen keine Gummimauern aufgestellt sind, weshalb die Amphibien oft am Straßenrand sitzen und von den hohen Geschwindigkeiten der Autos und deren Rückstoß ihren Organen erhebliche Schäden zufügt werden, dadurch sterben die meisten von ihnen. Nach wenigen Minuten kamen wir an dem Gewässer, in dem ich geboren wurde und mich jetzt verpaaren würde, an. Vorsichtig wurde der Deckel des Eimers geöffnet und ich wurde mit denselben kalten Händen von vorhin aus dem Eimer gehoben. Ich spürte unter meinen Füßen nasse Erde. Kurz genoss ich das Gefühl der Verbundenheit, bevor ich mit großen Sprüngen in den See eintauchte.
Einige Wochen später…
Nachdem ich meine Eier abgelegt hatte, hieß es nun wieder, sicher auf die andere Straßenseite zu gelangen. Ich ließ meine Eier zwar nur ungerne allein, aber ich musste unbedingt wieder zurück und ich war mir sicher, dass meine Nachkommen auch alleine zurechtkommen werden. Also sprang ich los und schon wenig später sah ich den Gummizaun vor mir. Dieses Mal ersparte ich mir den Versuch den Zaun hochzuklettern, da ich wusste das es zwecklos war. Dafür wollte ich mir die Zeit, bis die Helfer mich auf die andere Seite tragen werden, nicht mit Schlaf vertreiben, sondern mit der Suche nach einem sogenannten „Auffangbehälter”. Zum Glück musste ich auch nicht lange nach einem suchen. Jetzt musste ich nur noch einen Eingang finden. Und tatsächlich, nachdem ich an einer der zwei schräg nach oben führenden Seiten hochgesprungen war, sah ich ein ins Innere führende Loch. Nun stand ich am äußersten Rand des Lochs, ich hatte keine Ahnung wie ich dort runterkommen könnte, weshalb ich einfach in das unbekannte Loch sprang. Noch bevor ich meine Entscheidung überdenken konnte, war ich schon auf dem Boden angekommen, es war stockdunkel, doch jetzt war es zu spät. Ich konnte nur hoffen, dass die Menschen mich finden und sicher über die Straße bringen würden. Ein paar Stunden später wurde ich von einem hellen Licht geweckt, ich musste während dem Warten eingeschlafen sein. Langsam gewöhnten sich meine Augen an das grelle Licht und ich sah, wie eine große Hand auf mich zukam, sie packte mich behutsam und setzte mich in den mir schon bekannten durchsichtigen Eimer. Nachdem wir die Straße überquert hatten und die Menschen mich freigelassen hatten, hörte ich über mir einen schrillen Eulenschrei. Jetzt aber schnell weg, bevor ich entdeckt werden könnte. Und so sprang ich in die ungewisse Zukunft.
Wie kannst DU helfen?
Wer Interesse an der aktiven Unterstützung von Krötenwanderungen hat, kann sich gerne an den NABU (Naturschutzbund Deutschland) wenden.